Artistic Research
Auf der Suche nach neuen künstlerischen Methoden? Kunst lernen? Künstlerisches Experiment? Kann Wissenschaft Kunst? Schlagworte und Fragen liefern praktische Antworten.
Artistic Research – Was ist das?
Die künstlerische Forschung oder Artistic Research ist Kunst, bei der KünstlerInnen wissenschaftliche Theorien und Methoden verwenden. Dazu zählen neue Erkenntnisse aus der Forschung genauso wie das Experiment oder das Protokoll. Aber die Kunst spielt nicht nur mit den Formen der Wissenschaft, um zu künstlerischen Ergebnissen zu kommen. Auch in seriöser naturwissenschaftlicher Forschung werden künstlerische Techniken im Forschungsdesign verankert. Darüber hinaus ist Artistic Research auch eine Wissenschaftstheorie, in der auch diskursive Prozesse als eine Methode der Wissensproduktion anerkannt werden.
Kunst schafft Wissen
Künstlerische Forschung ist also ein verwobenes Gebilde, das sich aus den Fäden der Philosophie, Kunst und Wissenschaft spinnt. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Disziplinen werden nutzbar gemacht, um zu gänzlich neuen Erkenntnissen zu gelangen.
Diversität bringt neues Wissen
Damit ist Artistic Research am Puls der Zeit, der von Pluralität und Gleichzeitigkeit gekennzeichnet ist. Diversity ist im Artistic Research kein modisches Schlagwort, vielmehr gelebte Praxis. Die unterschiedlichen Hintergründe von Projektbeteiligten werden nicht nur als wertvolle Bereicherung gesehen, sie werden aktiv gesucht.
Material Library. Artistic Research
Gegensätze ziehen sich an
Das Schließen der Kluft zwischen Kunst und Wissenschaft öffnet ein weites Feld an Möglichkeiten. Ein diskursives Feld, das es neu zu bestellen gilt, ein praktisches Feld, das nach Experimenten ruft - und Wahrnehmungsräume, die neu zu gestalten sind.
Wissen macht Kunst
KünstlerInnen wählen dabei unterschiedliche Zugänge, wie sie wissenschaftliche Methoden für die Kunst nutzbar machen.
Der Begriff der künstlerischen Forschung oder Artistic Research bezeichnet dabei KünstlerInnen, die "selbst als Forschende agieren und ihre Resultate in Form von Kunstprodukten darstellen". Ausgehend von einer konkreten Fragestellung verfolgen KünstlerInnen "einen eigenen erkenntnistheoretischen und methodischen Ansatz", wodurch sie sich sowohl von der Forschung, als auch von der Kunst unterscheiden. Dabei wird die Kunst um neue Techniken und Arbeitsfelder erweitert.
Naturwissenschaft und Kunst
Auch in der Naturwissenschaft arbeiten vermehrt KünstlerInnen an Forschungsprojekten mit. Der kreative Input in einer Laborsituation führt dabei zu überraschenden Ergebnissen. Arbeiten dagegen KünstlerInnen mit neuen Erkenntnissen der Wissenschaft und setzen diese künstlerisch um, wird auch der Begriff der Science Art verwendet.
Do birds tango? Artistic Research
Zur Fortbildung 1 x täglich: Experiment
Nicht nur in Kunst und Wissenschaft kann der Methodenbaukasten des Artistic Research eingesetzt werden. Auch im täglichen Leben ist es sinnvoll, Pausen einzulegen, genau hinzusehen und dem Forschen Raum zu geben. Wir können uns nur dann ungehindert weiterentwickeln, wenn wir der Neugier genügend Futter geben.
Am Beispiel des Experiments zeigt sich die enge Verwobenheit zwischen Art, Science und Alltag. Das Ausprobieren von Neuem ist Bestandteil in jedem Lernprozess, wenn die Grenzen des Alten Richtung Zukunft verschoben werden. Das Denken öffnet sich in bisher ungeahnte Richtungen.
Das Kunstwerk – ein Protokoll?
Das Beobachten und Notieren von Vorgängen, um daraus eigene Überzeugungen ableiten zu können, ist ebenfalls wichtiger Teil der persönlichen Wissensbildung.
Eindrücke der inneren Gefühlswelt und äußere Ereignisse liefern die Grundlage. Die Form des Protokolls variiert: kryptisches Tagebuch für Privates, Zeichnung, Malerei und Photographie für visuelle Eigenheiten, Skulptur für Haptik und Raumverständnis. In Tanz, Performance und Theater werden Empfindungen festgehalten, um sie wieder erlebbar, wieder-holbar zu machen, im wahrsten Sinne des Wortes.
So reflektiert sich im Protokoll der Wunsch, Erkenntnisse festzuhalten, diese manifest zu machen und zu konservieren.
Scheitern und Irren
Auch der Mut zum Fehler ist essentieller Bestandteil künstlerischer Forschung. Neues wartet nun einmal in unbekanntem Terrain, und dieses birgt immer die Möglichkeit, dorthin zu gelangen, wo man eigentlich nicht hinwollte. Unter dem Begriff der Serendipity können solche ungewollten Ziele dennoch nützlich sein. Das Irren bietet außerdem die einzigartige Möglichkeit, sich von den eigenen Vorstellungen zu lösen und das Gegebene in aller Deutlichkeit wahrzunehmen.
Praktisches Probieren in der Zeichenfabrik
Auch in den Kursen der Zeichenfabrik darf man sich verirren und verwirren lassen. Die DozentInnen ermutigen als SpezialistInnen in ihrem jeweiligen Bereich zu eigenem Ausprobieren. Sie vermitteln eine Basis an praktischen Fertigkeiten, auf denen aufbauend eigenes Experimentieren erwünscht ist. Durch den geschützten Rahmen der Kurse entstehen Forschungsfelder der Möglichkeiten. Der Neugier als wichtigstem Antriebsmotor wird Raum gegeben.
Diversität im Kleinen
In kleinen Gruppen ermöglicht der Einblick in fremde Denkmuster einen lebendigen Polylog zwischen den TeilnehmerInnen. Diversität ist dabei kein utopisches Ziel, sondern notwendige Voraussetzung für kreativen Input. Nur wenn Menschen unterschiedlicher Hintergründe einander begegnen können, findet ein Austausch statt, der tatsächlich zu neuen Resultaten führt. Ohne Wettbewerbsgedanken kann so die eigene Fertigkeit wachsen, das Denken in neue Richtungen abdriften.
Querdenken für Kreativität
Im Artistic Research wird kreatives Potential ins analytische Denken geholt und Logik in die Kunst. Künstlerische Forscher und forschende KünstlerInnen sind die QuerdenkerInnen unter den Kreativen. Innovative Geister, die ihre jeweiligen Branchen verändernd antreiben, mischen oft verschiedene Denkansätze zwischen Wissenschaft und Kunst.
In einer Welt, die nach komplexen Lösungen sucht, ist ein solches Denken von Vorteil. Der Methodenmix des Artistic Research wird unter anderem in den Bereichen Design, Neuro- und Biowissenschaft, Technologie und Marketing eingesetzt.
Die Formel
Innovation und Entwicklung bauen auf praktischem Wissen und Können auf. Dieses braucht Zeit, um sich zu entwickeln. Die nötige Portion Mut, die auch ein Scheitern in Kauf nimmt, der geschützte Bereich eines kreativen Labors und ein pluralistischer Ansatz an Methoden und Werkzeugen bringt dann neues Wissen.
Coverfoto © Berenike Wasserthal-Zuccari