Hoa Luo - ein Leben auf parallelen Plateaus
Tauchen wir in den Kunstkosmos von Hoa Luo, Dozentin von Graffiti- und Zeichenkursen, ein. Sie betreut außerdem die Public Relations Abteilung an der Zeichenfabrik und hat in dieser Funktion viele spannende Blogbeiträge verfasst.
Verschwommen, Virtuell und Verschachtelt
Auf der Suche nach ihrem Werk findet sich im Internet ein Blog mit dem Titel „I’m sorry mate, that’s all I’ve got“ - bewegte Bilder in Zusammenhang mit kleinen Texten, die mysteriös erscheinen.
Die Idee dahinter hat als Prämisse die Verschwommenheit. Die Miniaturen, die zu sehen sind, sind Slogans und Texte, die aus Unterhaltungen herausgerissen sind oder ganz spontan auftauchen und in der Kombination mit Bildern eine neue Bedeutungsebene hervorbringen. Es wird ein Entwicklungsprozess initiiert, der sich aus Vernetzung und der Annahme von verschiedenen Perspektiven speist, parallel zum wirklichen Leben.
Zu dieser virtuellen Verschachtelung gehört ein weiterer Blog, der sich „youpuke“ nennt (deine Kotze). Der Titel ist ein Wortspiel mit „YouTube" (dein Kanal).
Es sind Reste aus Arbeiten der Künstlerin. Der Name ist Programm: es geht um die Auswertung von Inhalten, die nicht verdaulich sind und vom Körper wieder ausgeschieden werden. Das ist allerdings nur die Spitze des Eisberges: „youpuke“ ist eine eigene Welt, ein Archiv, das jegliche Struktur und Ordnung obsolet macht, weil es wie ein Labyrinth aufgebaut ist.
Zusammen mit ihrem Alter Ego, Hana Woodrue, erstellte Hoa eine Parallelwelt, die sich als riesiges und schweres Buch mit 1000 Seiten manifestiert, das analog und haptisch auftritt.
Es wurde im 21er Haus im „Salon für Kunstbuch“ präsentiert und ist auf Amazon erhältlich.
Dieses Werk ist als Antwort auf unsere technologisierte Gesellschaft zu verstehen, wo von KünstlerInnen verlangt wird, dass sie ein Produkt nach dem anderen herausbringen, ein Image aufbauen und sich schnell vermarkten.
Foto © 2016, Hoa Luo
Hoa Luo widersetzt sich mit ihrer Arbeit bewusst den Gesetzen des Kunstmarktes, indem sie weder ein klares Werk anbietet, noch sich auf eine Person festlegen lässt. Sie teilt sich auf mehrere fiktive Personen auf, wovon jede andere Medien nutzt: Performance, Bücher, Filme und Malerei.
Auf die Frage, ob das Studium der Philosophie Einfluss hatte auf das Entstehen von „youpuke“ meint Hoa, das Buch galt ihr schon vorher als wichtiges Format für ihre Arbeit. Aus der Philosophie kommen die Theorien und Gedanken, die sich dann zu Konzepten formen.
»Für mich werden Inhalte durch die Abstraktion fassbarer und erreichen diese Eleganz, die ich so liebe!« — Hoa Luo
Ihr Interesse gilt der theoretischen Philosophie, vertreten durch Flusser, Virilio und Charlotte Klonk.
Ebenen des Malens
Die Arbeit, die ihr am meisten am Herzen liegt, ist das Malen. Während des Studiums der Malerei bei Ashley Hans Scheirl und Daniel Richter an der Akademie der bildenden Künste in Wien durchlaufen ihre Bilder eine Entwicklung vom Figurativen zum Abstrakten. Ihre Ölbilder sind von großer Vielschichtigkeit: in einzelnen Schichten findet sich auch das Graffiti wieder.
Als rebellische junge Frau hat sich Hoa in der Graffiti - Szene ausgetobt und in Barcelona, London und Sydney gesprayt. Sie hat als Frau eine absolute Vorreiterrolle eingenommen, sich in diesem männerdominierten Umfeld durchgesetzt. Mittlerweile hat sich ihr Schwerpunkt auf das Vermitteln der Technik und auf die Arbeit mit Jugendlichen verlagert. Das Dozieren macht ihr Spaß und sie nimmt sich von den KursteilnehmerInnen den ersten Blick, die Anfänge der Wahrnehmung als Parameter zum Abgleichen mit ihrer eigenen Wahrnehmung. Sie möchte ihnen vermitteln, ihre Werke neutral zu betrachten und nicht in gut oder schlecht einzuteilen. Sie sollen das Selbstbewusstsein erlangen, auszuwählen, was sie tatsächlich umsetzen und zeigen wollen.
Der öffentliche Raum bleibt nach wie vor Hoas Spielplatz, nun mit den Mitteln der Performance.
Foto © 2016, Patrick Trotter
Jeder kann alles
Wie kann eine einzelne Person so viele verschiedene Bereiche abdecken und zwischen Wien und Berlin pendeln, ohne Ermüdungserscheinungen aufzuweisen?
Hoa benutzt dabei eine körperliche Technik, um sich wieder zu regenerieren: sie meditiert und balanciert, um zur Ruhe zu kommen.
Ihr Leben organisiert sie mittels genauer Arbeitszeitaufzeichnung in Form von Diagrammen, die sie auswertet, um gezielt steuern zu können, in welche Richtung es in Zukunft gehen soll. Arbeiten werden nacheinander geordnet, Pausen eingeplant. Das Zauberwort lautet: Struktur!
Hoas Beitrag zum Feminismus besteht darin, oft und viel mit Frauen zusammenzuarbeiten. Sie lebt in einem Umfeld von starken, selbstbewussten Frauen, die alle gebildet sind und sich ihren Platz in der Gesellschaft erobert haben. So hat sie ein tolles Künstlerinnenkollektiv aufgebaut, wo frau sich gegenseitig beim Schreiben von Konzepten unterstützt, wo Auseinandersetzung und Beratung möglich ist.
Im privaten Bereich stellt sie sich die Frage der Organisation eines Haushaltes gleichberechtigt zu der Frage nach dem beruflichem Werdegang: da gibt es ihn noch, den Unterschied zu männlichem Denken, dieses kreist meist ausschließlich um den beruflichen Erfolg.
Auch hier hilft es enorm, gut strukturiert zu sein: statt Vorwürfen an den Partner ein genaues Protokoll der Arbeitszeit anlegen, das jeder dem anderen als kleines Büchlein schenken kann - ein toller Tipp!
Hoa setzt einer männlich konnotierten Kunstwelt ihre Motivation und ihren Mut entgegen, sich zu behaupten. Sie erlaubt sich im künstlerischen Bereich alle Freiheit, sie weiß um ihre Außenseiterposition als Frau, als Ausländerin, als Liebhaberin der theoretischen Philosophie und Physik, als Künstlerin mit Kinderwunsch: alles ist möglich!
„In the shadows of trees“, Öl auf Leinwand, 100x170cm, 2017 © Hoa Luo
Foto 2017 © Hoa Luo