DIY: Pflanzenfarben

Ein Hauch von Magie

Regen liegt in der Luft. Die Beeren des Hartriegels sind nicht immer leicht zu sammeln, die reifen Früchte verstecken sich zwischen den Büschen. Das Sammeln erfordert viel Geduld. Zuhause muss ich die Beeren noch von den Stielen trennen, zum Kochen bringen und mit dem Kartoffelstampfer pressen. Der kochende Saft verbreitet ein süßliches Aroma in der Küche. Die fertige Tinte zeigt sich zunächst in einem blutroten Farbton, der während der Trocknung ins Grüne übergeht.

Pflanzenfarben sind unberechenbar und lebendig, sie haben etwas magisches an sich! Ich hoffe, etwas von meiner Begeisterung auch an dich weitergeben zu können und habe dir deswegen am Ende des Beitrags ein Rezept aufgeschrieben, mit dem du deine eigene Tinte selbst herstellen kannst. Neugierig? Los geht's!

Mein Name ist Katya Dimova. Ich habe Grafik und Druckgrafik studiert und später eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin gemacht. Ich lebe und arbeite als Künstlerin und Kräuterpädagogin in Wien und unterrichte Kurse an der Zeichenfabrik. Anregungen zur künstlerischen Auseinandersetzung mit Pflanzen findest du auf meiner Website.

Wunderschöne Transformationen

2017, als ich die Ausbildung zur Kräuterpädagogin machte, ließ ich mich von den Wildpflanzen und ihren vielen Eigenschaften verzaubern. Es entwickelte sich eine starke Verbindung, die bis heute wächst. Mir fielen plötzlich Dinge auf, die ich früher nie beachtete: die Unterschiede im Wachstum ein und derselben Pflanzenart in verschiedenen Lebensräumen, die Veränderungen an Geruch, Gestalt und Farbe durch Sonnenlicht und Standort.

Ich fing an, Wildpflanzen zu beobachten und sie nach Hause zu bringen, um all diese Prozesse von Beginn an vor Augen zu haben. Mein Interesse an Pflanzen galt zunächst ihrer Oberfläche. Ich studierte ihre Formen, Farben und Strukturen, um die verschiedenen Pflanzen besser unterscheiden zu können. Die Transformationen während der Jahreszeiten und der Trocknungsprozess der Pflanze faszinierten mich besonders. Später lernte ich die Wirk- und Heilkräfte der Wildpflanzen zu schätzen, ein Thema, das mich bis heute beschäftigt. Zuletzt bin ich auf die Farbstoffe in den Pflanzen aufmerksam geworden. Das öffnete eine spannende Türe, nicht zuletzt für mein Schaffen als Künstlerin.

Durch Achtsamkeit lernst du die Pflanzen besser kennen

Das Sammeln, Sortieren, Zerkleinern, Einlegen und Fermentieren mitunter über mehrere Tage… Mühsam, könnte man meinen. Doch in dieser Zeit entwickelt sich eine innige Beziehung. Die Beschäftigung mit Pflanzen hat viel mit Achtsamkeit zu tun. Und es ist umso spannender mit der Tinte zu zeichnen, wenn du sie auf diesem langen Weg begleitet hast. Alle Veränderungen der Pflanze und dein Zutun bei ihrer Verarbeitung haben einen Effekt auf die Eigenschaften der Tinte.

Als Künstlerin bin ich Farben lange aus dem Weg gegangen. Schwarz und Weiß empfand ich als aussagekräftig genug. Die Ruhe schwarz-weißer Darstellungen war mir wichtig und Farben existierten in meinem Arbeiten für lange Zeit nur als Möglichkeiten. Die Auseinandersetzung mit Wildpflanzen hat meinen Weg in die Welt der Farben geebnet. Heute färbe ich zum Beispiel die Garne, welche ich zum Besticken verwende, mit pflanzlichen Farben.

Selbstgefärbter Garn
Stickerei auf Baumwolle, 26x28cm. Der Stickgarn wurde mit der Kanadischen Goldrute (Solidago canadensis) gefärbt. Foto: Katya Dimova

In der Küche bevorzuge ich frische Zutaten und einfache Rezepte - ebenso beim Kochen von pflanzlichen Tinten. Wichtig ist es mir, dass sie biologisch abbaubar bleiben. Die Herstellung eigener Farben braucht viel Geduld und Vorbereitungszeit. Aber es lohnt sich!

Farbenküche
Pflanzenfarben und ihre Herstellung. Foto: Katya Dimova

Pflanzentinten sind vergänglich

Befreundete KünstlernInnen befragen mich oft nach der Haltbarkeit selbst hergestellter Pflanzenfarben. An den Kunstunis wurde uns beigebracht, auf die Materialien zu achten, welche wir zum Malen und Zeichnen verwenden. Wenn eine Arbeit verkauft wird, soll diese möglichst unverändert erhalten bleiben. Denn Veränderung bedeutet hier Schaden nehmen.

Sind solche Veränderungen wirklich ein Schaden? Müssen Bilder für immer in Museen hängen, konserviert im Moment ihrer Entstehung? Oder können wir sich ändernde Farben eines Bildes so wie sie gerade jetzt - und nur jetzt sind, sogar bewusster genießen? Ich habe mit diesem Gedanken lange gekämpft. Das Bewusstsein über die Lebendigkeit und Vergänglichkeit von pflanzlichen Farben konnte ich schließlich künstlerisch nutzen.

Das Bild als organisches Objekt

Die herbstliche Verfärbung des Laubes ist ein Prozess des Verfalls. Jedes Jahr erleben wir die Schönheit, wenn die Blätter in strahlendem Rot verglühen. Alle Pflanzen durchlaufen Metamorphosen, ihre Blüten, Früchte, Farbstoffe usw. befinden sich im Lauf der Jahreszeiten in einem Zustand dauernder Veränderung. Die organische Materie sieht an jedem Tag ein wenig anders aus, wie auch der menschliche Körper wächst, reift, altert und zuletzt stirbt.

Farbe hat keinen physischen Körper. Farbe ist die Begegnung von Licht und Materie, die Interpretation von Schwingungen durch unser Gehirn. Farben existieren nur in unserer Wahrnehmung, sie sind zutiefst subjektiv und so flüchtig wie das Licht selbst. Warum also sollten wir Farben in Bildern den Anschein von Ewigkeit geben? Vor allem wenn wir Farben aus Pflanzen gewinnen, macht das die Bilder, in denen wir diese Farben verwenden, zu organischen Objekten: zu etwas, das selbst zum belebten Teil der Natur gehört.

Pflanzenfarben duften und stinken, schäumen und kleben. Sie sind pastös oder dünnflüssig wie buntes Wasser. Sie haben eine eigene Konsistenz und regen die Geschmackssinne an. Sie erscheinen jedes Mal in verschiedenen Tönen. Sie sind natürlich abbaubar und in allen Jahreszeiten zu finden. Sie sind nicht konstant - sie sind wie das Leben. Das macht für mich den Reiz von Pflanzenfarben aus!

»Farben sind das Lächeln der Natur und Blumen sind ihr Lachen.« — James Henry Leigh Hunt

Bis heute habe ich aus mehr als 90 verschiedenen Pflanzen Tinten gekocht. Mit der Zeit haben sich daraus vier Serien entwickelt: die Neophyten (Pflanzen aus dieser Familie liegen mir besonders am Herzen. Sie finden wenig Beachtung, haben aber wunderbare Eigenschaften!), die Küchenabfälle (ich versuche, so wenig Müll wie möglich zu hinterlassen und verwende daher auch, was in der Küche an Abfall entsteht), die Wiesenblumen und Bäume und Sträucher.

Selbst hergestellte Pflanzenfarben
Selbst hergestellte Pflanzenfarben. Foto: Katya Dimova

Alle Jahreszeiten sind farblich sehr aufregend und nicht alles ist planbar: Das Überraschungsmoment liegt im Detail. Dass Pflanzenfarben von ein und derselben Pflanze oft anders aussehen können oder bestimmte Pflanzenteile nicht zu finden sind, muss auch gesagt werden. Eine gewisse Flexibilität und Offenheit sind sicherlich nötig. Dafür bekommst du ein Gelb mit Feigenaroma oder ein Purpur, das beim Auftragen schäumt, oder ein Rot, das gerne grün sein will, und vieles, vieles mehr :-) Lass dich überraschen!

Und jetzt heißt es: DIY! Eigene Tinte aus roten Rüben herstellen

Tinten, die gekocht werden, brauchen mehr Zeit und Zutaten, die normalerweise nicht in der Küche zu finden sind, etwa Alaun und Gummi arabicum. Daher stelle ich dir hier ein Rezept vor, das gleich drei Vorteile hat: die Zutaten sind leicht zu finden, die Zubereitung ist einfach und es liefert tolle Ergebnisse. Das ideale Rezept für EinsteigerInnen!

Wenn du mit roten Rüben kochst, ist dir beim Schälen und Schneiden bestimmt die schöne pinke Farbe an deinen Händen aufgefallen. Die rote Rübe ist eine alte Färberpflanze. Sie wurde früher zum Färben von Baumwolle und Wolle benutzt. Auf dem Papier ist sie weniger lichtecht, aber eine kinderleichte und tolle Pflanzentinte, die du ganz einfach aus Küchenabfälle herstellen kannst.

Rezept: Nimm die Restteile der roten Rübe und zerkleinere sie, zum Beispiel in der Kuchenmaschine. Zerdrücke sie in einem Mörser, um so viel Saft wie möglich zu gewinnen. Siebe die Flüssigkeit durch einen Teefilter oder Baumwollstoff, fülle sie in ein kleines Fläschchen und fertig ist deine erste Pflanzentinte! Diese Tinte ist im Kühlschrank für ca. eine Woche haltbar. Man kann eine Gewürznelke dazu geben, um die Haltbarkeit etwas zu verlängern. Solange sie nicht schimmelt, kann sie verwendet werden.

Ich würde mich freuen, von deinen Erfahrungen zu hören - hier kannst du mich kontaktieren. Gutes Gelingen und viel Spaß mit der Farbe!