Catherine Ludwig - Verzweigte Medien


Im hochfrequentierten 16. Bezirk findet sich nicht nur das Atelier von Urban Grünfelder, welchen wir heuer besuchen und im Interview vorstellen durften, sondern auch das Studio von Catherine Ludwig, der Ort, an dem alle wichtigen Prozesse ihrer künstlerischen Auseinandersetzung zusammenlaufen.

Der Blick auf eine Künstlerin, die auf ihrem Weg Konzept mit Handlung verknüpft, deckt verschlungene Prozesse auf. Trotz des Kunstleistungskurses während der Schulzeit wollte Catherine zunächst nicht Kunst studieren. Nach einem abgeschlossenen Grafikdesignstudium in Nürnberg stellte sich jedoch rasch heraus, dass sie ihre Zukunft nicht im Designbereich sah. Deshalb studierte Catherine transmediale Kunst an der Universität für angewandte Kunst bei Prof. Kowanz und erhielt für ihre Diplomarbeit den Preis der Kunsthalle Wien. In ihrem Werk verschmelzen interdisziplinäre Techniken aus den Bereichen Grafik, Video, Malerei und Fotografie. Der Prozess ist dabei stets Teil des Konzepts, medienübergreifend deckt sie die Schnittstellen analoger und digitaler Medien auf, zeigt uns subtil und distinguiert ihren Bezug und ihre Beobachtungen zur Zeit und zu den Räumen, die uns umgeben.

Naturbetrachtung in Aktion

Catherine arbeitet im Leben und lebt in der Arbeit. Ihre Werke, meistens Einzelarbeiten in Serie, sind unmittelbar vor Ort entstanden.

»Jede Arbeit erfordert unterschiedliche Prozesse, aber ich muss vor Ort sein. Ich muss Teil des Ganzen sein - denn ich bin auch Verursacher. Das Erleben vor Ort ist ausschlaggebend- niemals würde ich eine Arbeit machen, wenn ich nicht selber vorort gewesen bin!« *

Catherine Ludwig im Atelier
Foto © Hoa Luo

Die Strenge in ihrer Technik zeigt naturgetreue, perfekte Zeichnungen und Malereien. In ihrer Arbeit Of balls & discs sehen wir die Bandbreite ihrer Medienhandhabung. Catherine verbindet thematisch Fotografien, Zeichnungen und Gipsobjekte und lenkt unseren Blick auf eine hierzulande unbekannte Freizeitaktivität: den Discgolfsport als günstige Alternative zum teuren Golf, den sich viele Finnen seit dem Niedergang von NOKIA nicht mehr leisten können. Während eines Artist in Residence-Aufenthaltes in Finnland im Sommer 2016 hat sie sich mit diesem Trendsport des hohen Nordens auseinandergesetzt: ein ungezwungener Zugang zu einer anderen Kultur.

Diskuswerfer 1
Foto © Catherine Ludwig

Freizeit versus freie Zeit

Individuelles Zeitmanagement im Kontext von selbst- und fremdbestimmter Freizeit: Wie teilen wir unsere Zeit ein, welche Leute treffen wir, welche Sportarten üben wir aus? Nach der Arbeit Zeit für sich gestalten - aber wie? In jedem Land wird Freizeit anders wahrgenommen und konsumiert. Catherine sieht die Fremdbestimmung in der Freizeitausübung, indirekt durch die Arbeit, durch Politik, familiär- und kulturbedingt, als umfangreiches Phänomen. Allgemein kann man sagen, dass die genaue Betrachtung von Freizeit essentiell für Rückschlüsse auf die Gesellschaft ist.



Im Berufsfeld Künstlerin jongliert Catherine ebenfalls mit selbst- und fremdbestimmter Zeit. Arbeits- und Freizeit haben zahlreiche Berührungspunkte, oft ist die Arbeit sogar der Inbegriff von Freizeit. Catherine empfindet im Arbeitsprozess Entspannung, hat die freie Entscheidung wann und was sie macht, agiert weitestgehend selbstbestimmt, trägt gleichzeitig aber Verantwortung und verspürt Druck. Umgekehrt verschmilzt ihre Freizeitausübung, für manche beispielsweise das Reisen, stets auch mit der Ausübung von Arbeit.

Auch im Urlaub soll möglichst viel erlebt werden, z.B. durch gebuchte Führungen, die die individuelle Freizeitgestaltung im Massentourismus fast obsolet machen und uns exemplarisch die fremdbestimmte Freizeit verdeutlichen. Catherine übt keine Kritik sondern will aufzeigen und offenlegen, wie wir mit der Ressource Zeit in ihren verschiedenen Facetten umgehen.

»Bei mir ist es selten der Fall, dass ich die Arbeit abschalten kann. Außer beim Sport, da kann ich gut abschalten. Und doch kommen beim Sport oft aus dem Nichts die besten Ideen. Beim Reisen bin ich verwachsen mit dem "Kunst-Blick", sowohl als Privatperson als auch als Künstlerin.« *

Im Umfeld der Zeitgestaltung

Die Auseinandersetzung mit der Freizeit führt Catherine auch zur Betrachtung des Umfelds, in dem wir diese Zeit verbringen. In ihren Projekten und Serien thematisiert sie einen nachhaltigen Umgang mit der Natur als übliches Umfeld der Freizeitgestaltung. Die Eingriffe des Menschen in seine Umgebung sind Teil ihrer Arbeit, die Fragen zu unserer Umwelt und Lebensweise aufwirft. In stranded objects ist künstliches Schwemmgut zu sehen. Catherine sammelt und archiviert, manchmal hat sie die Fundstücke fotografiert, meistens mitgenommen.

»Es gibt immer zwei Pole. Ich will Plastik nicht verdammen, denn in gewissen Bereichen ist Kunststoff eine tolle Erfindung, wenn dieser vernünftig und sparsam eingesetzt wird. Er ist also per se nicht schlecht. Die Qualitätssuche ist mir daher wichtiger als nur reine Kritik zu üben.« *



Bereits das Hinschauen, Aufheben und Mitnehmen ist Teil dieser performativen und konzeptuellen Arbeit. Gleichzeitig sind die Zeichnungen autonome Ergebnisse, die durch ihre Perfektion die langwierigen Prozesse widerspiegeln: nicht nur die Entstehungsprozesse des Kunstwerks an sich, sondern gleichfalls jene, die der künstlerischen Arbeit zugrunde liegen. Interessant wird es am Übergang von Beobachtung zum Eingriff, wenn die kultivierte Natur spürbar und die Wechselwirkung von Mensch und Natur verdeutlicht wird.

»Das Sammeln und Archivieren ist autobiografisch, es stammt wohl von der Sammelleidenschaft meines Vaters. Es ist eine Qualität, aber auch ein Problem. Stranded objects - Spuren vom Sommer: Plastikobjekte, die nicht so schnell verwesen, werden gesammelt und gezeichnet. Es könnte überall gefunden werden, nur die Fundorte erinnern an das reale Objekt. In Island habe ich damit begonnen: Weil es so wenig Müll gab, ist der Kunststoffmüll herausgestochen. Nun achte ich immer bei Meeraufenthalten auf Plastik, nehme es mit. Es ist kein Umweltschutz, wenn ich ein bisschen Müll wegtrage, aber es fördert einen bewussteren Umgang.« *

Zugspitze
Foto © Catherine Ludwig

Schnee von gestern...

...ist der Titel einer von Catherines aktuellen Arbeiten zum Thema Freizeitspuren des Menschen im alpinen Wintersport. Selbst in der Nähe eines Skigebiets südlich von München aufgewachsen, hat Catherine die Entwicklungen direkt miterlebt. Für sie ist Skifahren nicht mehr romantisch besetzt: Durch den Klimawandel zeigt sich deutlich unser „Impact“ auf die Natur. Als prägnante Fremdkörper werden künstliche Speicherseen für Beschneiungsanlagen gegraben, um dem geringen Schneefall entgegenzuwirken. Catherines Malerei bleibt hier bewusst schwarz/weiss. Durch den Blick von oben gelingt es ihr, unser Eingreifen abstrahiert darzustellen. Ihre Arbeit als transmediale Künstlerin legt Traditionen und Handlungsweisen offen ohne zu verurteilen. Schnee von morgen: Subtil zeigen uns Catherines Arbeiten, wie weitgehend wir unser Umfeld bereits kultiviert haben, feinfühlig lenkt sie unsere Blick auf den Tourismus, verweist auf die anthropogene Natur.

Natur
Foto © Hoa Luo

Strategien zur Arbeitsweise

»Die langjährigen Arbeiten sind mir wichtiger, das Schnelle und Kurze widerstrebt mir.« *

In ihren Kursen führt Catherine die TeilnehmerInnen individuell an die eigenen Themen. Ausserhalb von Katalogen und dem Internet vertieft man sich in den Prozess. Eine Kombination ihrer Überlegungen und der Vorstellungen der TeilnehmerInnen macht die Kurszeit mit ihr zum zeichnerischen Erlebnis. Die zur Anwendung kommenden Techniken dienen der Bewusstwerdung über den Gegenstand, das Zeichnen steht gleichberechtigt zur Themenfindung. Die Kurse entsprechen Catherines eigener Arbeitsweise und sind für beide Seiten eine Herausforderung, die mit viel Vorbereitung einhergeht. Jeder findet am Ende den Zugang zur eigenen Arbeitsweise, kann Techniken gezielter anwenden, die eigenen Prozesse verstehen und geschehen lassen.



_»Es war ein Prozess für mich zu erkennen, dass ich am besten damit zurechtkomme, wenn ich nicht nur ein Thema bearbeite, sondern zwei, drei nebeneinander. Kleinere Schritte auf verschiedenen Wegen, die sich immer wieder überkreuzen und sich im besten Fall dazu animieren, zu größeren Schritten zu werden.«_ *

  • Zitate * Catherine Ludwig
  • Alle Arbeiten im Überblick auf Catherine Ludwigs Website
  • Catherines kommende Kurse in der Zeichenfabrik findet ihr hier